Bob Dylan in eigener Sprache
Musiker und Schauspieler präsentieren bekannte Songs szenisch und instrumental neu
Von Roswitha Wünsche-Heiden
Vorgeschichte: Frühstück bei Moritz Stoepel und Veronika Sergl-Vahlenkamp.Im Radio kommt die Mitteilung, dass Bob Dylan den Nobel-Preis für Literatur bekommen soll. Er: „Da werden die Buchhändler dumm gucken.“ Sie: „Mach doch ein Projekt!“ Er ruft seinen Freund Volker Rebell an und bekommt eine Zusage, später auch die von Christopher Herrmann, der ihm schon bei anderen Produktionen musikalisch zur Seite stand. Pünktlich zur Preisverleihung 2016 findet in Ober-Ursel die Premiere
von „Wie ein rollender Stein – Bob Dylan auf Deutsch“ statt. Am Samstag kam die Nachhilfestunde für alle, die Bob Dylans Lieder kennen und mögen, aber wohl wenige der 1400 Textseiten gelesen haben, die dem Trio zur Vorbereitung zur Verfügung standen, in die Neubornhalle Wörrstadt. Oder für die, die sich auf diese Weise ein Bild von der literarischen Qualität seiner Texte machen wollten. Schließlich war der US-amerikanische Musiker und Lyriker Dylan als Preisträger nicht nur wegen seines unwürdigen Verhaltens, sondern grundsätzlich sehr umstritten, wie man den recht deutlichen Zitaten entnehmen konnte.
Zwischen Textrezitationen („Advices for Geraldine“) und Songs („The Times They Are A-Changin‘“) entwickelte sich auf der Bühne ein Dylan-Portrait der eigenen Art, an dem jeder der drei Künstler seine besonderen Anteile hatte, die sich in etwa zweieinhalb Stunden zu einem Gesamtarrangement über das Werk des Folk und Rockmusikers fügten. Obwohl es viele Dylan-Übersetzungen gibt, sorgten Volker Rebell und Moritz Stoepel für eigene Nachdichtungen der von ihnen interpretierten Liebes- und Protestsongs, wie „Dass du meine Liebe spürst“ oder „Politische Welt“. Seit 1970 als Radiomoderator und -autor mit eigener Sendung sowie als Konzertkritiker tätig, oblag Rebell die Moderation zwischen den ausschließlich deutschsprachigen Dylan-Texten. Sich selbst auf der Gitarre begleitend, sang er mit angenehmer Stimme, die an den Liedermacher Reinhard Mey erinnert, bekannte und weniger bekannte Songs.
Meist begleiteten ihn dabei die anderen beiden Künstler, Stoepel singend, am Klavier oder mit Percussion-Instrumenten, Christopher Herrmann, vorzugsweise mit dem grünen Cello, aber auch am Klavier, mit Violine, Ziehharmonika oder Bassklarinette. Dabei wird jeder von ihm begleitete Text zur Premiere. Etwa „The Death of Emmet
Till“, die Ballade eines aus schierer Mordlust umgebrachten 14-jährigen Afroamerikaners, dessen Tod ungesühnt blieb. Moritz Stoepel durchlebt dieses grauenvolle Ereignis als Zeuge auf der Bühne ebenso eindringlich wie die unveröffentlichte Ballade des Donald White. Bei seinen Auftritten merkte man dem Schauspieler weder seine Jahre, noch seinen kürzlich gebrochenen Arm an. Er zog alle Register seines schauspielerischen und sprecherischen Könnens, brachte vollen Körpereinsatz,
drohte gar zu kollabieren. Trotz der damit erreichten emotionalen Intensität fanden manche das gelegentlich übertrieben. „Mir hätten schon 100 Prozent Stoepel gelangt“, meinte eine Besucherin aus Heimersheim.
Wer aus nostalgischen Gründen gekommen war, kam nicht auf seine Kosten. Obwohl keiner der bekannten Dylan-Erfolge fehlte, war das keine Gelegenheit für erinnerndes Mitsingen. „Blowin‘ in The Wind“, „Like A Rolling Stone“, „Mr. Tambourin Man“ oder „Knocking on Heavens Door“ waren zwar von der Melodie her problemlos wiederzuerkennen, verlangten aber durch Übersetzung, neue Instrumentierung und eigene Arrangements kein Mitwirken, sondern ein Zuhören. Ein
überaus interessanter Abend mit einem „Highland-Sahnehäubchen“ als Zugabe.