Die fabelhafte Welt der Grimms

Jonathan Roth (rechts) als Wilhelm Grimm versucht seinen älteren Bruder Jacob (Eric Haug) von den Märchen begeistern. Foto: pa/Carsten Selak

THEATER 3D Kinderstück erzählt, wie die Brüder zu den Märchen fanden / Bühnenbild regt Fantasie an

Von Ulla Grall


WÖRRSTADT. Theateratmosphäre in der Neubornhalle. Es herrscht Dämmerlicht, nur der rote Vorhang ist verheißungsvoll angestrahlt. Die jungen Theatergäste suchen sich ihre Plätze in den ersten Reihen oder auf den Kissen auf dem improvisierten Teppich vor der Bühne. Mit „Grimms Kram“ hat der Kulturkreis eine Veranstaltung der Wiesbadener Gruppe „Theater 3D“ nach Wörrstadt geholt. „Eine verrückte, wundersame, fabelhafte Reise in die Welt der Märchen und das Leben der Gebrüder Grimm.“ Stadtbürgermeister Ingo Kleinfelder – nein, das ist keine Märchenfigur – entert die Bühne und begrüßt kleine wie große Gäste. Dann öffnet sich der Vorhang: Jacob Grimm, der Sprachwissenschaftler (gespielt von Eric Haug), sitzt schon die ganze Nacht an seiner Deutschen Grammatik. Übermüdet legt er den Kopf auf den Tisch und nickt ein. Da kommt sein jüngerer Bruder Wilhelm (Jonathan Roth) hereingeschlichen.

Im sparsamen Bühnenbild symbolisieren mit Packpapier bespannte Wände die Grimm’sche Küche. Einen Tisch, zwei Stühle gibt’s, zwei Weinkisten werden zum Küchenherd. Mehr braucht es nicht um die Fantasie anzuregen. „Wir wollten aus nichts die Märchen erstehen lassen“, sagt Haug nach der Vorstellung. „Mit wenig Requisiten, so wie wir als Kinder gespielt haben.“ Sicher ist es auch grade dies, was den erwachsenen Zuschauern an der Aufführung so gut gefällt: sich in die eigene Kindheit zurückversetzt zu fühlen.
Wilhelm überrascht Jakob mit einer Idee: „Märchen sammeln“. Jakob ist nicht erbaut: „Das ist doch Kinderkram.“ Er sieht sich als Wissenschaftler, als Sprachforscher, doch Wilhelm bietet all seine Überredungskunst auf, um den Bruder zur Mitarbeit zu gewinnen: „Wenn ich dir erst die Märchen erzählt habe“, verspricht er, „wirst auch du überzeugt sein.“ Das Erzählen – „Es war einmal…“ – wird zum Spiel, Jakob muss mitmachen, ob er will oder nicht. Mit der roten Tischdecke auf dem Kopf verwandelt er sich sogleich ins Rotkäppchen, was großes Gelächter hervorruft, später in die Großmutter mit Häubchen. Da muss eine Duschhaube herhalten, genau die Art von Requisiten-Minimalismus, der die Aufführung magisch und witzig zugleich werden lässt.
Und nicht nur das Publikum, auch Haug, der Schauspieler, hat an dieser wechselhaften Rolle einen Riesenspaß. Das 3DTheater wurde 2010 von Manuela Stüsser und Beate Krist gegründet, „um Kindertheater anders zu machen, als wir es alle zuvor schon gemacht hatten“, erklärt Haug später. Das Stück über die Brüder Grimm wird schon seit fünf Jahren aufgeführt. Für Melanie Spielmann, die sonst die Rolle des Wilhelm innehat, aber nun Babypause macht, ist Roth eingesprungen. Sein wunderbares komödiantisches Talent, dem erwachsenen Wörrstädter Theaterpublikum von „Zettels Theater“ her bekannt, beweist sich in vielen Details. Er ist nicht nur als der böse Wolf, mit Pelzmütze, sehr glaubwürdig.

Zwei weitere Märchen braucht es, um Jakob zu überzeugen. Beim „Froschkönig“ wird ein Wischmopp zur Prinzessin, eine grüne Socke zum Frosch und bei den „Bremer Stadtmusikanten“ holen sich die beiden Schauspieler Verstärkung aus dem Publikum: Liv als Katze und Levi als Hahn agieren wie „alte Theaterhasen“. Zwar versteht sich Theater 3D als „Kinder- und Jugendtheater“, dennoch kommen bei „Grimms Kram“ auch Erwachsene voll auf ihre Kosten – ob mit oder ohne Kinder und Enkel.