Kulturkreisreise 2015

20. bis 26.09.2015

Reise an den Niederrhein

Text: Eberhard Gladrow (unter Verwendung von Wikipedia-Zitaten)
Bilder: Birgit Gladrow und Rüdiger Wuth (Marienthal, Anholt, Kevelaer)

Tag 1

Auf der Fahrt an den Niederrhein durchquert man das Ruhrgebiet an seinem westlichen Ende. Da war es sicherlich naheliegend, das eine oder andere Sehenswerte “mitzunehmen”. Immerhin ist das Ruhrgebiet eine hochinteressante Gegend, vor allem was die Technikgeschichte betrifft. Als erstes steuerte die Reisegruppe deshalb eine der zahlreichen Landmarken an, die im Laufe der letzten Jahren auf den Schlackendeponien errichtet worden sind, um von der Geschichte der Industrialisierung und des Bergbaus im Ruhrgebiet zu erzählen.

Zwischen den Bäumen sah man ihn schon, den Hügel mit dem seltsamen Gebilde. “Tiger and Turtle – Magic Mountain” ist eine einer Achterbahn nachempfundene Landmarke, über welche die Künstler folgendes sagen: “Tiger and Turtle nimmt über die in ihm angelegte Dialektik von Geschwindigkeit und Stillstand Bezug auf die Umbruchsituation in der Region und deren Wandel durch Rückbau und Umstrukturierung. Indem die Skulptur die dem Bild der Achterbahn anhaftenden Erwartungen ad absurdum führt, reflektiert sie ihre eigene Rolle als potentielles überregionales Wahrzeichen, welches zwangsläufig als Bild vereinnahmt wird. Sie stellt der Logik des ewigen Wachstums eine absurd-widersprüchliche Struktur entgegen, die sich einer eindeutigen Interpretation widersetzt.”
Na ja, das ist Theorie. Ein bequemer Fußweg führte die Reisenden auf den Hügel und auf die begehbare Skulptur. Auf 220 Metern Gesamtstrecke und 349 Gitterrosten als Stufen konnte man bis zum höchsten begehbaren Punkt der Skulptur gelangen (13 m oder 80 m über Normalnull). Die Aussicht über das Ruhrgebiet war weit und prächtig. Aber nicht jedem behagte diese leicht schwankende Konstruktion, mancher sah sie sich lieber von unten an.

Fotostrecke 1: Halde Tiger & Turtle

Nur wenige Kilometer entfernt ein ganz anderes Bild: Rostiges Eisen, ein wildes Gemenge von Türmen und Rohrleitungen, Wildkräuter auf dem Weg, die ganze Anlage zu erobern. Hier wurden immerhin 57 mio Tonnen Roheisen produziert, bis das Stahlwerk 1985 geschlossen wurde. Das Gelände, der Landschaftspark Duisburg-Nord, ist heute ein wichtiges Zeugnis der Industriekultur des Ruhrgebiets. Mit einem Park im herkömmlichen Sinne hat das Areal aber nur wenig zu tun hat: Die Industriebauten des Hüttenwerks wurden zu Freizeiteinrichtungen und Spielstätten für Kulturveranstaltungen umfunktioniert.

Verwilderte Grünflächen wurden zu Biotopen, die heute Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bieten. Im alten Gasometer entstand Europas größtes künstliches Tauchbecken, in Erzlagerbunkern wurden alpine Klettergärten eingerichtet, die ehemalige Gießhalle lässt sich auf einem Hochseilparcours erkunden.

 

Nach einer Mittagspause im Bistro im Hauptschalthaus wurden die Kulturkreisreisendes in zwei geführten Gruppen über Industriegeschichte und Gegenwart des Werkes informiert. Die meisten von ihnen bestiegen auch den ehemaligen, 55 m hohen Hochofen 5, der zum begehbaren Aussichtsturm umfunktioniert wurde. Von oben ein imposanter Blick über das Ruhrgebiet.

Fotostrecke 2: Landschaftspark Duisburg-Nord

Am Abend checkte die Reisegruppe im 4*-Hotel Rheinpark Rees ein. Das Hotel ist direkt am Rhein gelegen,
nur die Promenade trennt das Gebäude vom schicksalsschweren Fluss der Deutschen. Kein Autolärm stört
die Nachtruhe. Nur das beruhigende Tuckern der Schiffsdiesel dringt in die Träume der Menschen ein.

Wetter: Sonnig.

Tag 2

Dieser Tag war den Römern gewidmet. Gestärkt durch ein sehr gutes und umfangreiches Frühstücksbuffet machte sich die Reisegruppe nach Xanten auf, einer Stadt, die auf eine über 2000jährige Geschichte zurück blicken kann. Ihre Anfänge liegen in der Errichtung des Legionslagers Vetera und der Colonia Ulpia Traiana im Römischen Reich und setzen sich fort mit der Gründung des Stifts St. Viktor im 8. Jahrhundert. Nach Eröffnung des Archäologischen Parks und des Freizeitzentrums wurde Xanten 1988 zum ersten staatlich anerkannten Erholungsort im Regierungsbezirk Düsseldorf sowie ab 2014 zum Luftkurort.

Eine sehr kompetente Führerin holte die Gruppe direkt am Busparkplatz ab und führte sie – immer auf die Sicherheit aller bedacht – durch die historische Altstadt und den Dom. “Heckenseits zu gehen” war das Gebot der Stunde, um die Radfahrer nicht zu behindern, immer wieder die klaren “Anweisungen”, nicht mitten auf der Kreuzung stehen zu bleiben. Die Gruppe hat viel gelernt, über die Historie der Stadt, über alte Gebäude und wie man sich als Menschenhaufen am besten bewegt.

Fotostrecke 3: Xanten

Während der Mittagspause haben sich die Rheinhessen (es waren auch ein paar andere dabei) dann über die Stadt verteilt und sich für den kommenden Besuch im Archäologischen Park Xanten (APX) gestärkt. Lange Jahre ignorierte man das römische Erbe. Man hat das gemacht, was man auch mit vielen Burgen und Schlössern gemacht hat: Die Bauwerke wurden abgetragen und deren Steine andernorts verbaut. Aus archäologischer Sicht ist es ein Glücksfall, dass die alte Stadt nicht von einer neuen überlagert wurde, wie das in Köln, Trier und Mainz der Fall war. Es waren später Hobbyarchäologen, die im 19. Jahrhundert vergnügt in der Erde gescharrt und sich an einer von Neugierde getriebenen Bestands- und Souvenirsicherung versuchten.

Aber erst mit der kommunalen Neugliederung in den 1970er Jahren konnte man sich nachhaltig und wissenschaftlich der alten Anlage zuwenden und mit den beginnenden Ausgrabungen auch gleich den »Archäologischen Park Xanten« mitdenken.

Zum Abschluss des Tages konnten die mittlerweile recht müden und hungrigen Reisenden in der römischen
Herberge nach römischer Art speisen: Entweder “patina de cucurbita cum ovis caseo” oder “porculi ofellae
ostienses cum boletis” oder vielleicht auch “pullus numidicus cum pulte parrica”. Die Stimmung in der
Gruppe war prächtig, sicherlich auch stimuliert durch den Genuss von “Lucullus”.

Fotostrecke 4: Archäologischer Park Xanten

An dieser Stelle muss vermerkt werden, dass sich an einem rheinhessischen Reiseteilnehmer eine wundersame Verwandlung vollzogen hat: Vom Rhoihess‘ zum Römischen Imperator. Gut sah er aus, der neue Cäsar, zum Glück ohne sonderliches Machtstreben, sodass der Reiseleiter beruhigt schlafen gehen konnte.

Übrigens: An einem 21. September wurde geklärt, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Es war zwar der 21. September 1897, aber alte Wahrheiten haben bestimmt auch heute noch ihre Gültigkeit.

Gibt es einen Weihnachtsmann?

 

 

Wetter: Sonnig.

 
Tag 3

Ein Abstecher vom Rheinland in das Münsterland führte die Reisegruppe nach Bocholt. Dort kann man im Industriemuseum Bocholt einen wichtigen Teil der industriellen Entwicklung Nord-Rheinwestfalens kennenlernen. Hier riecht es nach Öl und Arbeit, und die Webstühle rattern so laut, dass man sich unwillkürlich die Ohren zuhält. Was die Reiseteilnehmer bei ihrem Besuch erlebten, war für tausende Männer und Frauen vor 100 Jahren Alltag. Man sah, wie der Takt der Maschinen die Arbeit diktierte. Herzstück der Museumsfabrik ist die große Webhalle. Unter den Sheddächern setzen Transmissionsriemen und lange Antriebswellen über 30 historische Maschinen in Bewegung. Die Museumsfabrik zeigt eine Weberei mit laufenden Maschinen. Über 20.000 Spindeln drehten sich einst in der Spinnerei Herding in Bocholt.

Unweit davon befindet sich in einem imposanten Backsteinbau mit vier Geschossen ein Forum für Textilkultur. In dem behutsam restaurierten Industriedenkmal werden Geschichte und Gegenwart des Textilen lebendig.

Einige der Reiseteilnehmer haben diesen Teil des Industriemuseums besucht, die anderen ließen es sich im Museumsrestaurant “Schiffchen” gut gehen. Ob jemand die hiesige Spezialität, den Knockepott, genossen hat, ist unbekannt. Dieser Eintopf wurde ursprünglich zur Resteverwertung aus Pfoten, Ohren und Schwänzen vom Schwein gekocht. Heute nimmt man für den Knockepott Eisbein mit Füßen, Rindfleisch, Zwiebeln, Gewürze und etwas Essig und lässt das Ganze sehr lange garen, bis das Fleisch faserig zerfällt. Er wird mit Brot oder Kartoffeln gegessen.

Fotostrecke 5: Weberei Bocholt

Die Gruppe hatte sehr viel Zeit in dem hochinteressanten Industriemuseum verbracht, sodass der Stadtrundgang durch Bocholt nach allgemeiner Zustimmung gestrichen worden ist. Es blieb aber noch genügend Zeit für einen Spaziergang über die Rheinpromenade von Emmerich und einen Bummel durch die Gassen der Innenstadt. Ganz nett, aber kein Muss. Dann ging es weiter nach Bislich.

Wenn man sich recht nahe am Rhein bewegt, ist es sicher spannend, sich etwas näher mit dem Fluss selbst und dem Leben am Fluss zu beschäftigen.

“Mastbruch, Segelriss – Sturm auf dem Rhein”, heute kaum zu glauben, denn fast schon träge schiebt sich heute der große Strom dahin. Doch wer früher auf dem Wasserweg von Amsterdam nach Duisburg segelte, musste mit allem rechnen. Bevor der Rhein gezähmt werden konnte, war er ein gefährlicher Fluss. Und noch immer müssen sich die Menschen entlang der Ufer mit Deichen vor Hochwasser schützen. Davon hofften wir viel zu erfahren, aber die Führung durch Museum, Kirche und Ort hinterließ zwiespältige Gefühle. Die Kirche war dunkel, man fand den Lichtschalter nicht. Zum Glück hatte die clevere Kulturkreisvorsitzende eine Taschenlampe dabei, so konnte der angeblich interessante Alter wenigsten punktuell erleuchtet werden. Im Museum selbst fanden die Führer kein Ende, überschwemmten die Zuhörer mit einer überbordenden Fülle an Details, sodass selbst der Gutwilligste die Flügel gestrichen hat. So nach und nach verließen die Reiseteilnehmer das Museum und sammelten sich am Bus. Eine Abstimmung mit den Füßen. Das hat das Museum eigentlich bestimmt nicht verdient, aber ganz gewiss die Führer.

Dies ist auch schade für die Mitglieder des Heimatvereins, welche die Ausstellungsräume in einer alten Scheune mit vereinten Kräften gebaut haben. Ein sehenswertes Museum, aber dann ohne Führung.

Wetter: Morgens noch sonnig, dann bedeckt, am späten Nachmittag leichter Regen in Gewitter übergehend.

Tag 4

Dieser Tag ist ein Tag der Kunst, nämlich der bildenden Kunst und der Gartenkunst.

Zunächst ging es zum Schloss Moyland, einem der wichtigsten neugotischen Bauten Nordrhein-Westphalens. Es erinnert an die große Klever Zeit, als Moritz von Nassau Statthalter des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg in dessen niederrheinischer Provinz war. 1695 hatte der Fürst und spätere preußische König das Schloss gekauft, das bis 1766 die Residenz der Preußen in ihrer westlichsten Provinz blieb.
Es war ein Glück, dass die Brüder Hans und Franz Joseph van der Grinten aus dem mittlerweile recht verfallenen Schloss ein Museum für Joseph Beuys gemacht haben. Heute ist Moyland ein museales Schwergewicht am Niederrhein mit über 15.000 Zeichnungen, Fotos und 6.000 Arbeiten von Joseph Beuys. Der Skulpturenpark mit 70 Plastiken des späten 20. Jahrhunderts ist in eine hervorragend rekonstruierte Gartenlandschaft integriert, die ihre ursprünglich barocken Elemente mit Ideen englischer Parkanlagen des 19. Jahrhunderts verbindet.

In zwei Gruppen wurden die Reiseteilnehmer durch die Sammlung geführt, wobei die inhaltlichen Schwerpunkte der Führerin und des Führers recht unterschiedlich waren. Beide waren aber durchaus kompetent, beide gestalteten später auch die Führungen durch das Kurhaus Kleve.

Fotostrecke 6: Schloss Moyland

Nächstes Ziel war Kleve mit der Besichtigung des Kurhauses Kleve und der barocken Parkanlage. Im Kurhaus ist auch das Café Moritz untergebracht, wo die Reiseteilnehmer eine Pause einlegten. Das Wetter war schön, es war warm, die Dachterrasse einladend.

Das Museum Kurhaus Kleve ist heute ein Kunstmuseum. Es trägt seinen Namen wegen der ursprünglichen Funktion des Gebäudes, als Kleve zwischen 1742 und 1914 als “Bad Cleve” ein besonders bei wohlhabenden Preußen und Niederländern beliebter Kurort war. Vorgänger des Kurhauses war eine 1754 erbaute Trinkhalle. Der Erste Weltkrieg beendete den Kurbetrieb, die Parkanlagen verwilderten. Das Kurhaus selbst diente von 1922 an als Schuhfabrik, die 1956 in Konkurs ging. Ende 1957 wurde das Erdgeschoss des Gebäudes an Joseph Beuys vermietet, der dort im Jahre 1958 sein Atelier einrichtete, das er bis 1964 nutzte.

Schwerpunkte des 2012 eröffneten Museums sind die Sammlung Ewald Mataré, die Architektur des Kurhauses und der Historische Garten. Auch hier zwei kenntnisreiche Führungen, wie im Schloss Moyland mit unterschiedlichen Inhalten. Die Führerin nahm sich mehr Zeit für den Barockgarten, der Führer erklärte ausführlicher die Geschichte des Gebäudes und die Wechselwirkungen mit Politik und Religion.

Fotostrecke 7: Kurhaus Kleve

Es liegt in der Natur der Sache, dass man bei Führungen immer nur einen Ausschnitt sieht, man oft den Wunsch hat, mehr Zeit vor Ort zu verbringen. So sind solche Reisen vielleicht auch ein Anstoß, diese Gegenden einmal auf eigene Faust zu besuchen.

Zum Abschluss des Tages spazierten die Reisenden ein wenig durch Kalkar. Das kann man ohne Risiko tun, denn der naheliegende Schnelle Brüter ist nie in Betrieb gegangen.

Kalkar wurde von Graf Dietrich VI. von Kleve am 20. Oktober 1230 auf einer Ward, einer vom Rhein angeschwemmten Sandbank, gegründet. Es ist keine in vielen Jahrhunderten gewachsene Siedlung, sondern eine von Anfang an planmäßig angelegte Stadt mit einem Gitter sich fast rechtwinklig kreuzender Straßen. Grundlage des raschen wirtschaftlichen Aufschwungs der Stadt war insbesondere das Weben von Wolle, die Tuchmacherei. Als im 19. Jahrhundert in Deutschland der Aufschwung der Textilindustrie begann, war die Tuchherstellung in Kalkar allerdings längst vergessen. Kalkar blieb lange ein “idyllisches Ackerbürgerstädtchen”. Die Rückständigkeit hatte auch Vorteile: die andernorts häufig zu sehenden Bausünden der Nachkriegszeit wurden weitgehend vermieden. Das mittelalterlich geprägte Stadtbild blieb erhalten, was heute zahlreiche Touristen anzieht.

Wetter: Sonnig

Tag 5

Bei einer Busreise von 7 Tagen braucht der Busfahrer einen Tag Pause. Dieser Ruhetag für den Fahrer ist gleichzeitig ein Tag zum Entspannen für die Reisegruppe. Gelegenheit, die bislang gesammelten Eindrücke zu verarbeiten. Anstatt selber zu Fuß unterwegs zu sein, ging es in ruhiger Fahrt mit dem Schiff stromabwärts ins niederländische Nimwegen. Das Schiff “Stadt Rees” der Reeser Personenschifffahrt tuckerte gemächlich rheinabwärts, der Kapitän erzählte allerlei Wissenswertes über die Landschaft rechts und links des Rheins und über den Rhein selbst.

 

Fotostrecke 8: Rheinfahrt

Die Hansestadt Nimwegen bezeichnet sich als die älteste Stadt der Niederlande. Die Geschichte der Stadt geht bis in die Zeit des Römischen Reiches zurück; die Römer unterhielten hier einen Militärstützpunkt. Maastricht im Süden der Niederlande nennt sich allerdings ebenfalls älteste Stadt des Landes.

Am 22. Februar 1944 wurde Nimwegen durch ein alliiertes Bombardement stark zerstört. Nachdem ein Angriff auf Gotha (dort befand sich ein Werk der Messerschmitt AG) abgebrochen worden war, erlagen die zurückfliegenden Bomberbesatzungen auf der Suche nach einem Sekundärziel vermutlich dem Irrtum, das deutsche Kleve anzufliegen. Im September 1944 erlitt Nimwegen weitere Kriegsschäden während der Schlacht um Arnheim.

 

Das sieht man der Stadt auch heute noch an, das Stadtbild ist nämlich recht uneinheitlich. Zwar wurde nach dem Zweiten Weltkrieg hart am Wiederaufbau gearbeitet. Mit geringen finanziellen Mitteln wurde rings um die übrig gebliebenen, teilweise schwer beschädigten Denkmäler wie die Stadtwaage, das historische Rathaus und den St. Stevensturm ein neues Zentrum geschaffen. So ist die Innenstadt eine – alles in allem – abwechslungsreiche Mischung von vielen schönen, alten Gebäuden und moderne Architektur.

 

 

 

 

Wetter: Heiter bis wolkig, trocken.

Fotostrecke 9: Nimwegen

 
Tag 6

Dieser Tag hatte einen kirchlichen Schwerpunkt mit dem Kloster Hamminkeln-Marienthal und dem Besuch des Wallfahrtorts Kevelaer.

Das ehemalige Augustiner-Eremitenkloster (heute ein Karmeliterkloster) wurde 1253 gegründet, die spätgotische Klosterkirche 1345 erbaut. Das Besondere: Die Klosterkirche, die Mönchszellen und die meisten Gräber des Kirchhofs wurden und werden auch heute noch von Künstlern gestaltet. U.a. arbeitete Heinrich Campendonk in Marienthal. Die von Anton Wendling und Heinrich Dieckmann gestalteten Kirchenfenster wurden nach ihrer Einsetzung öffentlich debattiert wie vor einigen Jahren die Fenster von Markus Lüpertz und Gerhard Richter in Kölner Kirchen. Augustinus Winkelmann (1881-1954), der Pfarrer von Marienthal, hatte den Anstoß gegeben, hier ein geistiges und religiöses Zentrum zu schaffen, das sich auch der modernen, sakralen Kunst öffnet. Auch der Friedhof neben der Kirche, der in das künstlerische Konzept mit einbezogen wurde, zeigt die große gestalterische Bandbreite moderner Sakralkunst.

Pater Matthias führte die Reisegruppe durch Kirche und Kreuzgang. Es war eine besonders beeindruckende Führung durch die beschreibende Verknüpfung von Kunstwerk und religiösem Hintergrund.

Fotostrecke 10: Kloster Marienthal (von R. Wuth)

Auf dem Weg nach Kevelaer besuchte die Reisegruppe die Wasserburg Anholt. Die Anlage ist eines der größten Wasserschlösser des Münsterlandes. Ihre Ursprünge liegen in einem Wehrbau aus dem 12. Jahrhundert zur Sicherung des Besitzes der Diözese Utrecht. Die Gruppe ließ das Schloss links liegen, besichtigte stattdessen unter sachkundiger Führung den Park mit Erläuterungen zu Wassergarten, Rosengarten, Wildblumenwiese, Barockgarten und Landschaftspark.

Die ersten Gärten der Burg Anholt stammen aus dem 18. Jahrhundert und wurden nach dem barocken Vorbild französischer Gartenkunst in symmetrischen Formen angelegt. Im 19. Jahrhundert wurden Bereiche des Parks zunächst durch den Düsseldorfer Hofgärtner Maximilian Friedrich Weyhe und später durch den englischen Gartenarchitekten Edward Milner (1819–1884) zu einem englischen Landschaftsgarten umgestaltet. Dabei wurde der Park insgesamt weitläufig erweitert. 1945 wurden die Gartenanlagen zerstört, jedoch zwischen 1962 und 1995 rekonstruiert und wiederhergestellt.

Zwischendurch regnete es gelegentlich, doch die großen, weit auslandenden Bäume boten ausreichend Schutz.

Fotostrecke 11: Park Schloss Anholt (von R. Wuth)

Im Landcafé Fischer in Millingen machte die Reisegruppe halt für die Mittagspause. Es gab – je nach Geschmack – prachtvolle Torten, Würstchen oder Suppe.

Danach blieb noch Zeit für einen Stadtrundgang durch Kevelaer. Kevelaer ist besonders als einer der wichtigsten Marienwallfahrtsorte Deutschlands bekannt. Stadt und Umgebung sind eingebettet in eine Donkenlandschaft, was sich auch in den Namen der Ortsteile Winnekendonk, Kervendonk, Kolvendonk und Grotendonk widerspiegelt. Eine Donk bezeichnet eine flache Erhebung im sumpfigen Gelände. Die Donks , meist sandigen Erdrücken, erheben sich kaum 2-3 Meter über die umgebende Bruchlandschaft, waren vermutlich im frühen Mittelalter Ausgangspunkte für die Besiedlung des flachen und feuchten Tieflandes westlich des Niederrheins bis etwa in die Gegend östlich des heutigen Brügge in Belgien.

Das wohl wichtigste Datum für die Geschichte Kevelaers ist der 1. Juni 1642. Der Händler Hendrick Busmann hörte kurz vor Weihnachten 1641 an der Kreuzung der alten Handelsstraßen Amsterdam–Köln und Münster–Brüssel dreimal den geheimnisvollen Ausruf: “An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen!”. Ausgelöst durch diese Ereignisse fasste er tatsächlich den Beschluss, an dieser Stelle ein Kapellchen zu bauen. Damit begann die Geschichte der Wallfahrt in Kevelaer.

1923 wurde die Marienkirche zur päpstlichen Marienbasilika erhoben, die im Zweiten Weltkrieg von fragwürdiger Bedeutung war: Sie war ein wichtiger Orientierungspunkt für britische Bomber.

Die rasche Anerkennung als Wallfahrtsort erhöhte schnell die Bekanntheit von Kevelaer und damit auch die Anzahl der jährlichen Pilgerbesuche. Die Ströme der Pilger stiegen bis 1700 weiter kontinuierlich an. An manchen Tagen sollen mehr als 15’000 Menschen den Wallfahrtsort besucht haben. Im Jahr 1842 feierte Kevelaer das 200-jährige Jubiläum der Wallfahrt. Zu diesem Anlass kamen 200’000 Pilger. Im Jahr 1913 wurden 344 Pilgersonderzüge gezählt und Kevelaer soll von 600’000 Pilgern besucht worden sein. Nach dem 2. Weltkrieg stiegen die Zahlen weiter an und erreichten in der Gegenwart mit rund 800’000 Besuchern pro Jahr Höchstwerte. Und das bei knapp 28’000 Einwohnern.

 

Fotostrecke 12: Kevelaer (von R. Wuth)

Wetter: Überwiegend bedeckt, zwischendurch leichter Regen, nachmittags bedeckt, aber trocken.

Tag 7

Der siebte Tag der Reise – der Tag der Rückreise – hatte ein gemischtes Programm: die Reisegruppe besichtigte ein Kloster mit einer Gartenanlage, einen Kulturbahnhof und schaute zu guter Letzt noch in ein tiefes Loch.

Es war ein einsamer Ort, fern von allen guten Geistern, umgeben von Sumpf und Stechmücken. Und vielleicht gerade deshalb ideal. Im Jahr 1123 folgten zwölf auffällig weiß gekleidete Zisterziensermönche dem ersten Abt Heinrich durch die gottverlassene Gegend, um auf dem Kamper Berg ein Kloster zu gründen. Das Kloster auf dem Kamper Berg war von Anfang an eine Erfolgsstory: Es war das erste Zisterzienserkloster im damaligen deutschsprachigen Raum. Schon nach sechs Jahren wurde ein erstes Tochterkloster im weit entlegenen Harz gegründet, das letzte und 14. Kloster datiert in das frühe 17. Jahrhundert. Wenn man alle mit Kamp in direkter Verbindung stehenden Gründungen addiert, kommt man auf fast hundert.

Der bekannte barocke Klostergarten wurde unter Abt Franziskus Daniels angelegt, dem bis heute der Ruf anhängt, eine Art Lebemann unter den Mönchen gewesen zu sein. Der heutige Garten ist allerdings eine verkleinerte Replik des Originals und entstand erst 1990. Aus den voluminös barocken Jahren stammen noch die sehenswerten Chorbänke in der ehemaligen Stiftskirche. Mönche gibt es heute nicht mehr auf dem Kamper Berg. Ein Museum erinnert aber an ihre große und bewegte Zeit.

Ein exzellenter Führer erläuterte die überregionale religiöse und politische Bedeutung des Klosters, von hier aus wurden weite Teile des Ostens christianisiert. Auch die Backsteinfertigung erhielt starke Impulse vom Kloster Kamp-Lintfort.

Fotostrecke 13: Kamp-Lintfort

Das nächste Ziel war das Museum Kulturbahnhof. Es ist dem Korschenbroicher Heimatverein zu verdanken, dass es den 1893 erbauten Bahnhof Korschenbroich an der Bahnstrecke Düsseldorf – Mönchengladbach heute noch gibt. Einst vom Abriss bedroht, ist das Gebäude seit 2005 Heimstadt eines kleinen Museums, dessen Sammlung einen umfassenden Einblick in die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in Korschenbroich bietet. Gezeigt werden beispielsweise Ausstattungen von Bahnhof und Bahnpersonal, häuslichen Einrichtungen der ländlichen Bevölkerung, landwirtschaftliche Kleingeräte, Spielsachen und handwerkliche Werkzeuge von Anno dazumal.

Die Reiseteilnehmer wurden fürsorglich betreut, die einen durften zunächst Kaffeetrinken und wurden dann durch das Museum geführt, bei den anderen war es umkehrt.

Fotostrecke 14: Kulturbahnhof Korschenbroich

Ein bisschen was vom Grand Canyon hat er ja schon, der Tagebau Garzweiler. Und wer an der Brüstung steht, könnte meinen, dass er sich mitten in der Braunkohlegrube befindet. Das ist ein echtes Erlebnis – ein wenig schwankt die Stahlkonstruktion in der Form eines “Absetzers” bei heftigen Windstößen und der Blick durch den Gitterboden auf den Abgrund erfordert Schwindelfreiheit: Der “Sky-Walk” bei Jackerath ist im Rheinischen Braunkohlenrevier ein einzigartiger Aussichtspunkt. Der metallene Steg ragt 14 Meter in den Tagebau hinein und mündet in einem kleinen Rondell.

Beim Tagebau können oberflächennahe Bodenschätze gewonnen werden, ohne dass wie im Untertagebau Schächte und Stollen angelegt werden. Abgebaut werden meist Massenprodukte wie. B. Braunkohle, Kies, Sand oder Festgesteine wie Basalt oder Marmor. Wegen des Flächenbedarfs und der Einflüsse auf Landschaft und Grundwasser war und ist das Einrichten von Tagebauen sehr umstritten. Zum Betrieb eines Tagebaus werden manchmal ganze Ortschaften umgesiedelt. Die Dörfer werden erst angebaggert und dann weggebaggert.

Aus rekultivierten Tagebauen entstehen häufig “Biotope aus zweiter Hand”, neue Seenlandschaften und Erholungsgebiete. Beispiele dafür sind das Leipziger Neuseenland, der Blausteinsee bei Eschweiler und das Oberpfälzer Seenland.

Fotostrecke 15: Tagebau Garzweiler

Danach ging es zügig nach Wörrstadt zurück, wo eine schöne, sehr interessante Reise endete.

Wetter: Überwiegend sonnig, am Nachmittag bedeckt

Rees

Am Schluss dieses Berichts noch einige Worte zu Rees, der Stadt, in der die Reisegruppe eine Woche zu Gast war. Rees ist eine hübsche Stadt, direkt am Rhein gelegen. Der Raum Rees lag in seiner ganzen Historie im Einwirkungsbereich des Rheinstroms mit Überschwemmungen, Uferabbrüchen, Inselbildungen und Verlagerungen. Davon ist heute in der Landschaft kaum noch etwas zu sehen. Viele der Rheininseln wurde durch die Flussbegradigung vom Hauptstrom abgetrennt und sind heute Altrheinarme oder gar ganz verlandet. Das Landschaftsbild ist typisch niederrheinisch, geprägt von Weiden und langen Reihen von Kopfweiden.

Um 500–800 n. Chr. entstand auf einer erhöhten Stelle, einer “Ward”, eine fränkische Siedlung. Der Name Rees soll auf “Rys” = “Weidengehölz mit Röhricht” zurückgehen. Um 700 wurde der Niederrhein durch den angelsächsischen Mönch Willibrord christianisiert. Am 14. Juli 1228 erhob der Kölner Erzbischof die Siedlung mit etwa 150 Gebäuden und 600 Bewohnern zur Stadt, Rees gilt damit als älteste Stadt am unteren Niederrhein. 1289/90 begann der Bau der Stadtmauer, die auch heute noch in Teilen zu sehen ist.

Bei einem großen Luftangriff am 16. Februar 1945 wurde die Stadt fast gänzlich zerstört.

In Rees gibt es eine Rheinpromenade mit Cafés, von wo aus man die Schifffahrt “unter die Lupe” nehmen kann. Dazu kommen besonders häufig Besucher aus den benachbarten Niederlanden, dem nahegelegenen Münsterland und dem Ruhrgebiet. Die rheinhessischen Reiseteilnehmer waren also Exoten. Vom Schiffsanleger starten Rheintouren z. B. in die nahegelegenen Niederlande, nach Nimwegen, was die Reisegruppe auch tat. Das städtische Koenraad-Bosman-Museum bietet wechselnde Ausstellungen zur Stadtgeschichte und Kunst. Unter dem Museumsgebäude befindet sich eine zugängliche, um 1500 erbaute Kasematte für leichtere Geschütze. Im Ortskern befinden sich viele Pumpen und kleine Brunnen. Diese wurden durch die Stadtverwaltung restauriert. Alljährlich findet in Andenken an die Tradition der Waschfrauen an den öffentlichen Brunnen die sogenannte Pumpenkirmes im Stadtkern statt.

Im 2003 angelegten Skulpturenpark in Rheinnähe wird Künstlern aus Deutschland und den Niederlanden Gelegenheit gegeben, ihre Werke zu präsentieren. Seit Juni 2008 befindet sich zusätzlich eine Bodensonnenuhr im Skulpturenpark, an der jeder Besucher selbst als Zeiger fungieren kann. Darüber hinaus erfreut sich die Stadt der Skulpturen über zahlreiche Objekte verschiedenster Künstler im Stadtkern.

Sehenswert sind die Stadtbefestigungsanlagen in Rheinnähe. Verschiedene Kasematten sind restauriert worden. Besonders interessant, wenn auch nicht für Besucher zugänglich, ist der jüdische Friedhof der Stadt, der – als historische Besonderheit – weder innerhalb der Stadtmauern (was damals unzulässig war) noch außerhalb dieser sondern auf der Stadtmauer errichtet wurde.

Fotostrecke 16: Rees