Kulturkreisreise 2016

So 11. bis Sa 17.09.2016

Die Oberlausitz – Unbekanntes Deutschland

Text: Eberhard Gladrow · Fotos: Birgit Gladrow

Dieses Jahr ist der Kulturkreis Wörrstadt e.V. in eine Region gereist, die nicht so bekannt ist, aber dennoch sehr viel bietet, nämlich in den sächsischen Teil der Oberlausitz. Die alte Hauptstadt der Oberlausitz ist Bautzen. Größte Stadt der Region ist aber das zwischen Deutschland und Polen geteilte Görlitz. Der Name Oberlausitz leitet sich vom früher hier lebenden slawischen Volksstamm der Lusici ab (vom alten sorbischen Wort für Sumpf). Das Land trug ursprünglich den slawischen Namen Milska. Die Deutschen bezeichneten es nach dem Hauptort Budissin (Bautzen) als Budissiner Land.

Bild 1: Zweisprachiges Ortsschild

Die Oberlausitz ist in weiten Teilen zweisprachig, auf vielen Schildern findet man deutsche und sorbische Bezeichnungen. Die sorbische Sprache ist reich und bildhaft. Ihr Wortschatz hat sich im Laufe der Zeit ständig erweitert und den Erfordernissen des Lebens angepasst. Sorbisch wird außer im Alltag auch in den Kirchen und Schulen, in kulturellen Einrichtungen und staatlichen Stellen gesprochen. Erst aus dem 16. Jahrhundert kennt man umfangreichere sorbische Texte. Mit der Reformation zog die sorbische Muttersprache in die Gottesdienste ein, Predigt und Gemeindegesang rückten in den Vordergrund und werteten sie auf. Sorbisch begann sich nunmehr als Schriftsprache zu entwickeln. Heute zählt das Sorbische zu den in ihrem Fortbestand bedrohten Sprachen Europas.

 

Das Sorbische leuchtet wie eine schöne Blume
im Bukett der Volkskultur in Deutschland.

Tag 1 · Sehr warm und sonnig

Auf der Hinfahrt hat die Gruppe die Autobahnkirche Gelmeroda besichtigt, die gemeinhin als die Feininger-Kirche bekannt ist. Feininger nutzte sie ab 1906 als Vorlage zu zahlreichen Skizzen, Gemälden, Aquarellen und Holzschnitten im Stil des Kubismus. Die Ursprünge der Kirche reichen bis in das 12. Jahrhundert n. Chr. zurück. Die Fundamente der Kirche stammen aus romanischer Zeit.

Bild 2: Modell der Autobahnkirche Gelmeroda

In der Autobahnkirche Gelmeroda begegnen sich Kunst und Kirche in besonderer Weise. Zum einen spiegeln kunsthistorische Werke die jeweiligen Epochen wieder. Die byzantinische Secco-Malerei im Tonnengewölbe der Kirche etwa stammt aus dem Jahr 1381. Zu sehen sind Szenen aus dem Leben einer Heiligen. Die Barock-Kanzel aus dem Jahr 1713 ist bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

Berühmt geworden ist die Kirche durch die expressiven, kubistischen Gemälde Feiningers. Der Künstler hinterließ neben elf meist großformatigen Ölgemälden unzählige Zeichnungen, Holzschnitte und Aquarelle. Die prismatisch strukturierten Bilder sind gleichzeitig ein Vorbild für die Konzeption der eindrucksvollen Lichtskulptur, die der Designer und Architekt Peter Mittmann 1998 entwarf.

Als wir die Kirche besuchten, war zufällig Gemeindepfarrer Joachim Neubert vor Ort, der es sich nicht nehmen ließ, uns die Kirche vorzustellen. Er berichtete auch von den enormen Schwierigkeiten für eine etwa 70-köpfige Gemeinde, die Kirche zu erhalten.

Nach ruhiger Fahrt hat die Reisegruppe im Bautzener Best Western Hotel die Zimmer bezogen und zu Abend gegessen. Das Essen insgesamt war akzeptabel, hatte allerdings nicht 4-Sterne-Niveau. Hier sollte das Hotel nachbessern, auch wenn es sich “nur” um eine Reisegruppe handelt. Die Zimmer waren in Ordnung, das Personal ausgesprochen freundlich.

Die Lage des Hotels direkt an der Fußgängerzone, am Kornmarkt, war ideal, aber durch die Auseinandersetzungen zwischen einigen Flüchtlingen und zahlreichen Rechtsradikalen nicht unproblematisch. Es war in den Nächten teilweise sehr laut durch die Randale und die Polizeieinsätze, ein Gefühl der Verunsicherung machte sich breit. Das ist dem Hotel natürlich nicht anzulasten.

Tag 2 · Sehr warm und sonnig

Bild 3: Rathaus Zittau

Ein erster Höhepunkt der Kulturkreisreise war der Besuch von Zittau. Vor allem die Besichtigung des Großen Fastentuchs hat einen tiefen Eindruck hinterlassen (das Kleine Fastentuch konnte nicht besichtigt werden, das Museum war geschlossen). Das Fastentuch (auch Hungertuch, Palmtuch, Passionstuch oder Schmachtlappen genannt) verhüllte in der Fastenzeit in katholischen und evangelischen Kirchengebäuden die bildlichen Darstellungen von Jesus, in der Regel das Kruzifix. Das Tuch trennt so die Gemeinde optisch von Altarraum und Reliquien und erlaubt der Gemeinde lediglich die Liturgie hörend zu verfolgen. Zur körperlichen Buße des Fastens tritt eine seelische. Der volkssprachliche Ausdruck “am Hungertuch nagen” bezieht sich somit nicht nur auf materielle Armut. Das Große Fastentuch ist mehr als 8 m hoch und über 6 m breit.

Dr. Volker Dudeck, Kunsthistoriker und ehemaliger Direktor der Städtischen Museen Zittau, hat mit den beiden Fastentüchern ein in Europa einmaliges Kulturgut ans Licht der Öffentlichkeit geholt und uns darüber berichtet. Man hätte ihm noch viel länger zuhören mögen…

Wie in vielen anderen Städten auch, brachte die Wende schwere Verwerfungen für die Stadt. In den Robur-Werken, einem Nutzfahrzeughersteller der DDR, wurden fast alle 5.400 Mitarbeitern entlassen. Die Stadt hat heute eine Arbeitslosenquote von etwa 15 %. Seit 1990 verließen über 10.000 Einwohner die Stadt, ungefähr 4.500 Wohnungen stehen leer. Neuansiedlungen entstanden vor allem durch Zulieferer der Automobilindustrie, die auf den Markt in Osteuropa setzen. Dennoch gibt es viele Sehenswürdigkeiten, vor allem sehr ansehnliche historische Wohnhäuser.

Fotostrecke 1: Zittau

Nach der Stadtführung ging die Fahrt weiter entlang der deutsch-polnischen Grenze, entlang der Lausitzer Neiße zum Klosterstift St. Marienthal, einer Zisterzienserinnen-Abtei. Es ist das älteste Frauenkloster des Ordens in Deutschland, das seit seiner Gründung ununterbrochen besteht. Ein Neiße-Hochwasser richtete im August 2010 verheerende Schäden an, die auf mehrere Millionen Euro geschätzt wurden. So kann man die Inschrift über dem Eingang nachvollziehen:

Möge dieses Haus erhalten bleiben,
bis die Ameise die Neiße ausgetrunken und
die Schildkröte die ganze Welt umkreist hat.

Bild 4: Kloster St. Marienthal

Bei Berzdorf, nahe Görlitz, steht der Schaufelradbagger Nr. 1452. Der Bagger ist ein vom Verein Bergbaulicher Zeitzeugen Berzdorf-Oberlausitz e.V. museal erhaltener Schaufelradbagger am ehemaligen Tagebau Berzdorf. Dieser Schaufelradbagger wurde im Jahr 1971 in Betrieb genommen.

Bild 5: Bagger 1452

Einige technische Daten:

Leistung: 1650 kWGesamtlänge: 75,0 m
Gewicht: 1940 tGesamthöhe: 33,5 m
Anzahl der Raupen: 6Spurbreite: 12 m
Schaufelraddurchmesser: 8,6 mAbtragungshöhe: 24 m

Unsere beiden Führer waren hoch engagiert und voller Mitteilungsfreude, verständlich, wenn man sein Leben mit und auf dem Bagger verbracht hat, wenn man im Tagebau sein Brot verdiente. Der lange Tag, die Wärme – die Aufnahmefähigkeit der Reiseteilnehmer hatte schon etwas nachgelassen und so blieb mancher lieber im Schatten zurück als auf dem Bagger herum zu klettern. Dennoch: ein imponierendes technisches Denkmal und zwei sympathische Urgesteine des Tagebaus.

Fotostrecke 2: Bagger 1452

Am 28.12.1997 erfolgte die Abschaltung des letzten Blockes des Kraftwerkes und damit die Einstellung der Kohleförderung. Für den Tagebau begannen bereits ab 1992 die Sanierungsarbeiten zur Sicherung des Restloches mit der Zielsetzung der Flutung und damit der Schaffung des Berzdorfer Sees. Ein neues Kapitel für die Regionalentwicklung nahm seinen Anfang. Für fast alle Beschäftigten begann eine Neuorientierung bei der beruflichen Entwicklung. Der Berzdorfer See mit seiner Wasserfläche von 936 ha und einer Uferlänge von 16 km und die rekultivierte Landschaft werden den Menschen abwechslungsreiche Erholungsmöglichkeiten bieten.

Tag 3 · Immer noch sehr warm und sonnig

Erster “Tagesordnungspunkt” war der Lausitzer Findlingspark Nochten, ein etwa 20 Hektar großer Landschaftsgarten. Er entstand nordöstlich von Nochten in den Jahren 2000 bis 2003 auf der Rekultivierungsfläche des Braunkohletagebaues Nochten.

Bild 6: Findlingspark Nochten

Der Park überzieht als weitläufige, vielfarbige, mit nur wenigen Gehölzen durchsetzte Gartenanlage eine künstlich aufgeschüttete Hügellandschaft, die sich markant über ihre Umgebung erhebt. Als charakteristisches und dominierendes Gestaltungselement wurden etwa 6000 aus dem Abraum des regionalen Bergbaues gewonnene Findlinge eingebracht, die von den Gletschern der Eiszeit aus Nordeuropa in die Lausitz verfrachtet worden sind. Ein Lehrpfad erschließt über 90 repräsentativ ausgewählte Exemplare, Etiketten und Informationstafeln geben Auskunft über Gesteinsart und Herkunft.

Die gesteinskundliche Präsentation nimmt nur einen kleinen Teil des Parks ein. Im übrigen Gelände bilden Findlinge sowie mit verschiedenfarbigem Kies, Bruchstein oder Geröll belegte Flächen die Basis oder den Hintergrund für mehrere spezialisierte Gartenbereiche wie z. B. Steingarten, Heidegarten, Teichgarten und Nachbildungen natürlicher Biotope wie z. B. Heidemoor, Waldmoor, Steppe.

Fotostrecke 3: Findlingspark

Im Park befindet sich ein sogenanntes Feldzeichen, das weithin sichtbar ist und einladen soll, Europas größten Findlingspark zu besuchen. Ein Ort der Versammlung, der einen weiten Rundblick in die Natur und in die Industrielandschaft Boxberg bietet. Das Feldzeichen wurde 2007 von Dieter Magnus (Wackernheim bei Mainz) gestaltet. Dieter Magnus gestaltete auch die die Grüne Brücke in der Mainzer Neustadt (1981).

Ein schöner, ruhiger Vormittag, warm, sonnig, ein leichter Wind, angenehm.
Auf der Weiterfahrt nach Knappenrode, dem Sächsisches Industriemuseum mit der Brikettfabrik, sind wir dann durch Koblenz gefahren. Nein, nicht durch Koblenz am Rhein sondern durch das gleichnamige sorbische Dorf im sächsischen Landkreis Bautzen.

Bis 1946 galt Knappenrode als modernste Brikettfabrik Deutschlands. Nach der Schließung blieben die imposante Backsteinarchitektur, die fast vollständig eingerichtete Brikettfabrik mit einer lückenlosen Folge dampfbetriebener Brikettiertechnik erhalten. Die 25 Hektar große Museumslandschaft umfasst neben der Brikettfabrik und der Kraftzentrale noch weitere Ausstellungsbereiche.

Die Besichtigung war allerdings etwas enttäuschend, die angekündigte “Akustik-Schicht” begann verspätet. Einige Reiseteilnehmer hatten das Gebäude bereits verlassen und deshalb vom Lärm der Pressen, Trockner, Siebe und Förderbänder nichts mitbekommen – ein ohrenbetäubender Eindruck, wie angekündigt.

Fotostrecke 4:  Knappenrode

Bild 7: Sorbischer Friedhof Ralbitz

Danach – in Ralbitz – hat die Gruppe einen sorbischen Friedhof besichtigt. Der Friedhof mit seinen mehr als 300 einheitlichen weißen Holzkreuzen stellt eine überregional bekannte Besonderheit dar. Die aneinander gereihten Kreuze sind zugleich mit sorbischen und christlichen Symbolen geschmückt und enthalten Schriftzüge mit Angaben zu den verstorbenen Personen und Segenssprüche. Über 150 Jahre hinweg wurde stets die gleiche Grabkreuzgestaltung verwendet. Heute schmückt ein Meer aus weißen Grabkreuzen den Friedhof und bietet einen beeindruckenden Anblick. Vor Gott ist jeder Mensch gleich, also bekommt jeder Verstorbene das gleich große Holzkreuz und ein gleich großes Grab. Die Bestattungen erfolgen der Reihe nach, es zählt nicht, wer mehr Geld hatte und sich ein riesiges Grabmal hätte leisten können.

Bild 8: Sorbischer Friedhof Ralbitz

Ralbitz ist ein Dorf mit 324 Einwohnern. Der Ort befindet sich im sorbischen Kernsiedlungsgebiet; die Mehrheit der Einwohner spricht Sorbisch als Muttersprache.

Tag 4 · Warm und sonnig, wie sollte es auch anders sein

Dieser Tag war Bautzen gewidmet. Bautzen ist die Stadt der Türme und Bastionen: 17 Türme überragen die Häuser. In Bautzen steht der Petridom, die älteste und eine der größten Simultankirchen Deutschlands. Die Katholiken nutzen den Chorraum, die Protestanten das Langhaus. Interessant sind auch die Ortenburg und die Alte Wasserkunst, eine Anlage zur Wasserversorgung der Stadt.

Bautzen ist auch so etwas wie die Hauptstadt der Sorben. Die Sorben – auch Wenden genannt – sind ein westslawisches Volk, das in der Ober- und Niederlausitz lebt und in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt ist. Die Sorben haben neben ihrer Sprache und ihrer Kultur eine offiziell anerkannte Flagge und Hymne. Sorben sind in aller Regel deutsche Staatsangehörige.

In Bautzen sind zahlreicher Institutionen des sorbischen Volkes angesiedelt. So z.B. die Domowina (sorbisch poetisch für „Heimat“, Bund Lausitzer Sorben), der Dachverband sorbischer Vereine und Vereinigungen. Ein Besuch der Oberlausitz ist so auch ein Kennenlernen einer wenig bekannten Kultur. Die Reisegruppe hat deshalb die Sorbische Kulturinformation besucht und den Sorbischen Rundfunk besichtigt, den einzigen zweisprachigen Rundfunksender in Deutschland (beides im Haus der Sorben).

Begleitet hat uns Benno Scholze, der uns in sehr sympathischer Weise viel über die Kultur der Sorben erzählt hat, auf unseren Wunsch hin auch etwas auf Sorbisch, aber da haben wir nicht viel verstanden. Sehr interessant die Besichtigung des Sorbischen Rundfunks, eine Abteilung des Mitteldeutschen Rundfunks. Hier werden täglich Programme auf Sorbisch produziert, regionale Nachrichten, Musiksendungen, Jugendprogramme. Es gibt eine grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien.

Bild 9:Bautzen

Der Tag klang in der Bautzener Senfstube aus.

Fotostrecke 5:  Bautzen

Tag 5 · Klar, warm und sonnig

Wohlklingend und nicht staubig sollte ein Besuch bei der C. Bechstein Pianofortefabrik in Seifhennersdorf sein, beim weltweit agierenden Hersteller und Händler von Klavieren und Flügeln. Die Klavierfabrik wurde von Carl Bechstein im Jahr 1853 in Berlin gegründet und war Hoflieferant seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Mit jährlich rund 5000 verkauften Instrumenten ist Bechstein der größte europäische Klavier- und Flügelhersteller.

Allerdings war es doch staubig, und nicht zu knapp. Die Gruppe konnte den Produktionsprozess eines Flügels verfolgen, vom angelieferten Holz bis zur Intonation, also der Feinabstimmung der Tonhöhen. Und am Anfang steht die Holzverarbeitung: Sägen, Hobeln, Schleifen, Schmirgeln – und das macht nun mal Staub. Im weiteren Verlauf der Klavierherstellung wird es immer sauberer. Am Ende der Führung, im Vorführraum, stehen dann die edlen Instrumente, staubfrei mit hochglänzender Oberfläche.

Als ab 1850 die Orchesterstärke von 30 bis 40 Musikern auf rund 100 anwuchs, wünschten die Pianisten klangstärkere Instrumente. Der 1826 in Gotha geborene Klavierbauer hatte bereits 1849 begonnen, sich in London und Paris intensiv mit dem dortigen Klavierbau auseinanderzusetzen. Er entwickelte mit dem angeeigneten Wissen die berühmten Bechstein-Flügel und -Klaviere. Sie konnten sich mit ihrem klaren Klang durchsetzen, hatten einen flügelleichten Anschlag und waren trotzdem so strapazierbar, dass sie den Anforderungen der mitunter vehement gespielten romantischen Musik standhielten.

Aber nicht nur in der Klassik war Bechstein sehr beliebt: Im Bereich des Jazz haben Oscar Peterson, Joachim Kühn und noch 2009 Paul Kuhn auf Bechstein aufgenommen. In der Popmusik haben die Beatles genauso auf einem Bechstein aufgenommen wie David Bowie, Freddie Mercury und Queen, Supertramp, Elton John, Peter Gabriel und viele andere.

Bild 10: Konditorei Brumme

Von Seifhennersdorf ging es auf kleinen Sträßchen weiter nach Obercunnersdorf, in das Dorf der Umgebindehäuser. Vor dem Dorfrundgang aber war zunächst die Mittagspause angesagt. Und so gab es in der Konditorei Brumme erst einmal dicke Torten, Käse- und Wurstbrötchen.

Bild 11: Umgebindehaus

Die Reisegruppe spazierte dann geführt durch das Dorf und lernte viel über eine spezielle Gebäudearchitektur, nämlich über das Umgebindehaus. Das Umgebindehaus ist ein besonderer Haustyp, der Blockbau-, Fachwerk- und Massivbauweise miteinander verbindet. Es zeichnet sich durch die bauliche Trennung von Stubenkörper und Obergeschoss aus. Dadurch wird der Stubenkörper von der Last des Daches bzw. des Oberstockes und des Daches befreit. In Obercunnersdorf kann man über 250 Umgebindehäuser bewundern, dazu auch Hechte und Ochsenaugen, besondere Formen der Dachfenster.

Das Umgebindehaus ist noch heute ein Beweis für die hohe Meisterschaft früheren Handwerks, ein ausgeklügeltes Gemeinschaftswerk von Zimmermannsleuten, Maurern, Dachdeckern, Steinmetzen, Tischlern und Schmieden. Von Uniformität dennoch keine Spur: Kaum ein Haus gleicht dem anderen im Detail.

 

Fotostrecke 6:  Obercunnersdorf

Etwas enttäuschend dann die “Führung” durch die Herrnhuter Sternemanufaktur. Erwartet wurde ein Rundgang durch die Manufaktur. Tatsächlich sah man die Herstellung der Sterne nur in einem Schauraum, begleitet von einem Imagefilm über die Manufaktur. Sicherlich nicht schlecht, aber weniger als erwartet.

    

Bilder 12 bis 14: Herrnhuter Sterne

Fotostrecke 7: Herrnhut

Zum Abschluss haben wir noch den Gottesacker in Herrnhut besucht, der 1730 von der Brüdergemeinde Herrnhut, einer evangelischen Freikirche mährischen Ursprungs, als Begräbnisplatz für ihre Mitglieder angelegt wurde. Er ist ein Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung. Mit den schlichten, liegenden Grabsteinen aus sächsischem und schlesischem Sandstein, die das „Eingesätsein“ der Toten in den „Acker Gottes“ und das Warten auf die Auferstehung symbolisieren, ist die Anlage weltweit Vorbild für viele Friedhöfe der Brüdergemeinde geworden. Noch heute finden dort wie vor 280 Jahren ausschließlich Erdbestattungen statt.

Der Gottesacker hat trotz verschiedener Erweiterungen seinen ursprünglichen Charakter erhalten können, so z.B. die Unterteilung in Brüder- und Schwesternseite: links Begräbnisfelder nur für Männer, rechts nur für Frauen.

Tag 6 · Hatte jemand etwas anderes erwartet? Warm und sonnig

Görlitz ist die östlichste Stadt Deutschlands und die größte Stadt der Oberlausitz (ca. 56.000 Einwohner). Görlitz ist dabei eine geteilte Stadt. Die Lausitzer Neiße teilt Görlitz seit 1945 in einen deutschen und einen polnischen Teil. Der östlich der Neiße gelegene Teil der Stadt wurde durch die Grenzziehung in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg abgetrennt und bildet seitdem die eigenständige polnische Stadt Zgorzelec. Die Stadt ist Mitglied der Euroregion Neiße und bildet seit 1998 mit Zgorzelec eine Europastadt.

Bild 15: Görlitz

Die historische Altstadt hat einen hohen Bekanntheitsgrad. Eine Besonderheit der Stadt ist, dass alle wesentlichen Phasen der mitteleuropäischen Siedlungsentwicklung ohne größere bauliche Veränderungen erhalten und ablesbar blieben. Mit über 4000 restaurierten Kultur- und Baudenkmalen wird Görlitz oft als das größte zusammenhängende deutsche Flächendenkmal bezeichnet. Das innerstädtische Bild ist durch spätgotische, Renaissance- und Barockbürgerhäuser in der Altstadt sowie ausgedehnte Gründerzeitviertel im Umkreis der Altstadt geprägt. Aufgrund dieses besonderen Stadtbildes ist Görlitz auch ein begehrter Filmdrehstandort, was der Stadt den Spitznamen “Görliwood” eintrug.

Man sollte bei einem Spaziergang durch die Straßen der Stadt nicht zu sehr gaffen. An zwei Stellen, z. B. am Biblischen Haus, sitzt oben an der Hauswand ein Gaffer, der die Gaffer begafft.

Fotostrecke 8:  Görlitz

Doch so schön die Stadt ist, es fehlen Menschen. Die Stadt wirkt eigentümlich leer. 30 Prozent der Wohnungen sind verwaist. Aber man versucht dem mit unkonventionellen Ideen entgegenzuwirken. Eine dieser ldeen heißt: “Probewohnen”. Mehr als 300 Menschen von auswärts werden bis zum kommenden Herbst je eine Woche in der Görlitzer Altstadt verbringen. Das Probewohnen soll den Teilnehmern zeigen, dass die Altstadt nicht nur eine schmucke historische Kulisse ist, sondern auch eine schöne Wohngegend. Die Probewohner sollen zudem den Initiatoren der Studie Hinweise liefern, wie Görlitz seinen alten Kern noch lebenswerter gestalten kann.

Manchmal werden Märchen war, manchmal gehen wahrgewordene Märchen wieder zu Ende.

Seit 1995 überweist ein “Märchenprinz” jedes Jahr 511.500 Euro auf ein Konto der Stadt. Er hatte seinen Geldtopf geöffnet und war der Meinung, sein Geld sei in Görlitz besser aufgehoben als in Panama. Aber nur unter zwei Bedingungen: Das Geld muss für Sanierungsmaßnahmen ausgegeben werden – und sein Name anonym bleiben. Einen Fan hat Görlitz also schon mal. Bundeskanzler Kohl ging, Bundeskanzler Schröder kam und ging, Bundeskanzlerin Merkel kam und bleibt? Wer weiß. Die Währung änderte sich von DM zu Euro. Aber das Geld kam. Immer. Nicht immer pünktlich, so dass man im Rathaus auch mal zitterte. Aber es kam immer. Doch nun ist Schluss. Der Goldtopf scheint leer zu sein, die letzte Zahlung betrug nur 340.000 Euro.

Zum Abschluss des Tages besuchte die Gruppe noch die Wehrkirche in Horka, wohl die Kirche einer deutschen Besiedlung um oder kurz vor 1200. Die nahezu kreisförmige Ringmauer wird in ihrem unteren Teil noch dem 13. Jh. zugeordnet. Sie hat einen Durchmesser von etwa fünfzig Metern. Das Kirchen-gelände befindet sich auf einem kaum merkbaren Hügel, der möglicherweise namensgebend für den Ort Horka (d. h. „Hügel“) war. Über die Entstehungsgeschichte der Wehranlage gibt es keine Nachrichten. Mündliche Überlieferungen sprechen davon, dass die Ringmauer zur Zeit der Hussitenkriege (1420 bis 1434) um fünf bis sechs Fuß erhöht und mit Zinnen versehen wurde. Angeblich hatte jeder der 72 damaligen Einwohner eine Zinne zu bauen. Wahrscheinlich entstand in dieser Zeit auch der Wehrturm, denn der einzige Zugang im ersten Stock wurde nachträglich in den Chor der Kirche eingebrochen.

Bild 14: Wehrkirche Horka

Die Patenschaften für die Zinnen gibt es heute wieder. Familien, Einzelpersonen, Firmen, sie alle tragen Sorge, dass die Mauer erhalten bleibt. Denn solche gut erhaltenen Wehrkirchen sind in Deutschland sehr selten.

Fotostrecke 9: Wehrkirche Horka

Tag 7 · Der Kulturkreis fährt heim
und es regnet und regnet und regnet…

Die Rückfahrt nach Wörrstadt war ereignisarm. Die eigentlich geplante Führung zur Göltzschtalbrücke haben wir kurzfristig abgesagt. Das Wetter war viel zu schlecht. Vom Bus aus haben wir die größte Ziegelsteinbrücke der Welt mit den 26 Mio. Ziegelsteinen bestaunt. Das Viadukt mit 29 Bögen und einer Höhe von 78 Metern gilt als Wahrzeichen des Vogtlands und überspannt zweigleisig auf der Bahnstrecke Leipzig–Hof das Tal der Göltzsch. Sie gehört zu den ältesten Zeugen der Eisenbahngeschichte in Deutschland.

Nicht abgesagt haben wir die Mittagspause auf dem nahen Kuhberg in der Gaststätte Kuhbergbaude. In der Höhe von 511 m umwaberte der Nebel den Aussichtsturm, auf die Freiluft-Modelleisenbahn regnete es in Strömen. Aber in der Gaststube war es trocken und warm, rustikal gemütlich und des Essen vorzüglich. Da könnte sich manches 4-Sterne-Hotel ein Beispiel nehmen…

 
Bild 17: Restaurant Kuhbergbaude Bild 18: Modelleisenbahn

Gegen 21 Uhr war der Bus dann wieder in Wörrstadt und die Reise zu Ende.