Kulturkreisreise 2018: Lausitz


Bericht über die Reise des Kulturkreis Wörrstadt e.V. (16. Bis 22. September 2018)

„Der Spreewald – mystische Landschaft, Kanäle und Gurken“.

Text: Birgit Gladrow – Fotos im Text: Stefan Kluth – Bildstrecken: Birgit Gladrow


Tag 1

Gut gelaunt trafen sich die Reisende und unser bewährtes Team von Kuhnert Reisen – unser Fahrer Heinz Hon und unsere Reisebegleiterin Ulla Schmidt – an der Neubornhalle in Wörrstadt. Pünktlich um 8 Uhr machten wir uns auf den Weg nach Cottbus. Vorbei an Bad Hersfeld, Eisenach mit der Wartburg im spätsommerlichen Licht, den Drei Gleichen in der Höhe von Weimar ging die Fahrt zügig voran. Auch um Leipzig und Dresden hatten wir freie Fahrt, so dass wir bei schönstem Sommerwetter bereits gegen  16 Uhr bei unserem Hotel in Cottbus ankamen. Das Sorat-Hotel liegt mitten in der barocken Altstadt, so dass einige sich nach dem Einchecken zu einem ersten Spaziergang durch die attraktive Innenstadt aufmachten. Mit knapp 100 000 Einwohners ist Cottbus die größte Stadt der Niederlausitz und das Zentrum  des Spreewaldes. In der Innenstadt lockt der Altmarkt mit seinen zahleichen gemütlichen Cafés und Restaurants, mit dem Apothekenmuseum sowie dem Rathaus. Auf dem Weg vom Hotel zum Altmarkt kann man auf der Spremberger Straße flanieren, der Haupteinkaufsstraße, an deren einem Ende der Spremberger Turm einlädt, Stadt und Umgebung von oben zu betrachten. In Hotelnähe befindet sich auch die Schlosskirche, die seit 2015 als Synagoge für die jüdische Gemeinde von Cottbus genutzt wird. Ein leckeres Abendessen im gemütlichen Speisesaal des Hotels beendete den ersten Tag.


Tag 2

Der zweite Tag unserer Reise wartete gleich mit einem ersten Höhepunkt auf: einer ausgedehnten Kahnfahrt auf den Fließen des Spreewaldes.
Der Name “Spreewald” kommt aus dem Sorbischen und bedeutet “die Sümpfe”. Er ist ein ausgedehntes Niederungsgebiet und eine historische Kulturlandschaft. Hauptmerkmal ist die natürliche Flussverzweigung der Spree. Unzählige Fließe durchziehen ihn, natürliche Wasseradern und künstlich angelegte Kanäle.
Zusammen haben sie eine Gesamtlänge von ca. 1.500 km. Als Auen- und Moorlandschaft besitzt der Spreewald für den Naturschutz überregionale Bedeutung und ist als Biosphärenreservat geschützt. Die Natur im Spreewald ist vom Wasser geprägt. Demensprechend gibt es hier viele Pflanzen und Tiere, die an das Leben im, am und auf dem Wasser angepasst sind. Biber, Weiß- und Schwarzstorch sind hier heimisch, Eisvogel und kleine Flussmuscheln. Der bekannteste Baum des Spreewaldes ist die Schwarzerle. Neben Gurken sind die Erlensamen ein wirtschaftlich bedeutsames Produkt. Sie werden im Januar geerntet und dienen der Nachzucht von Erlen, deren Holz im Möbelbau sehr beliebt ist.

Unsere Kahnfahrt startete bei schönstem Sommerwetter im Kleinen Hafen von Lübbenau. Verteilt auf zwei Kähne stakten unsere Bootsführer gemütlich durch die Fließe. Das nahezu geräuschlose Dahingleiten durch die abwechslungsreiche Natur begeisterte die ganze Gruppe. Nach etwa zwei Stunden hatten wir einige Schleusen passiert und gelangten zur idyllisch gelegenen Waldgaststätte Wotschofska. In freundlicher Atmosphäre genossen wir Essen und Trinken, wobei mancher ein erstes Mal Bekanntschaft mit einer Lausitzer Spezialität machte: Kartoffel, Quark und Leinöl.

Im Anschluss ging es weiter auf den Fließen zum malerischen Spreewalddorf Lehde. Ein kürzerer Aufenthalt lud zum Kaffeetrinken, Spaziergang oder zum Einkauf Spreewälder Spezialitäten ein.

Weiter ging die Kahnfahrt, vorbei an hübschen Häuschen, Weiden, erneut durch Erlenwälder bis wir schließlich die Spree erreichten. Ein kleines Stück ging es auf dem Hauptfluss weiter bis wir wieder Lübbenau und den Kleinen Hafen  erreichten. Es blieb noch Zeit, die klassische Spreewaldstadt mit dem ältesten und größten Spreewaldhafen, der Gurkenmeile und der Nikolaikirche zu  erkunden.


Tag 3

Unser erster Weg führt uns heute zur Ölmühle Hoyerswerda. Dort ist gerade viel los, da mehrere LKW aus Kasachstan Leinsamen angeliefert haben und nun entladen werden. Große, weiße Plastiksäcke voller Leinsamen werden vom LKW ins Lager verfrachtet. Kasachstan liefert ein Produkt, das Bioqualität entspricht und nun in der Ölmühle weiterverarbeitet wird.
Die Hoyerswerdaer Ölmühle ist ein Traditionsbestrieb, der 1924 gegründet wurde. Schon zu dieser Zeit war das Schlagen von Lein in der Lausitz ein Traditionsgewerbe. Der Betrieb arbeitete über die vielen Jahre erfolgreich, überstand die Verstaatlichung zu DDR-Zeiten und die Reprivatisierung 1990. Heute ist die ehemalige Angestellte Regina Jorga Chefin des Unternehmens, ihre Töchter sind ebenfalls in der Firma beschäftigt und werden sie in die Zukunft tragen. Wir werden durch die Produktion geführt, sehen die Maschinen und Anlagen, die zum Teil etwas antiquiert wirken, dabei aber voll funktionstüchtig sind und stets bestens gewartet werden. Danach dürfen wir Leinöl, die geschroteten Samen und eine Paste, die ein wenig an Nutella erinnert, kosten. Alle Bestandteile der Leinsaat werden verarbeitet und genutzt. Die Chefin berichtet überzeugend von einer Erfolgsgeschichte und reißt jeden mit ihrer positiven Einstellung mit.

Uns beschäftigen noch die vielen neuen Eindrücke, da geht es schon weiter zum Industriepark Spremberg und dem Kraftwerk Schwarze Pumpe. Während unserer Reise bewegen wir uns mitten in einem der größten Braunkohleabbaugebiete der Bundesrepublik. Die Landschaft ist geprägt durch Jahrzehntelangem Abbau. Siebzehn überwiegend sorbische Dörfer wurden im Lauf der Zeit abgebaggert und weitere werden wohl folgen. Abbaugebiete und Renaturierungsflächen begegnen uns immer wieder. Das hochmoderne Kraftwerk Schwarze Pumpe fällt schon von weitem durch seinen hohen Schornstein auf. Seit 2016 ist ein tschechischer Konzern Eigner des Kraftwerks, das Fernwärme, Prozessdampf und Elektroenergie erzeugt. Unser Weg führt uns zunächst in die Werkskantine, wo wir gemeinsam mit den Beschäftigten des Kraftwerks zu Mittag essen. Danach erhalten wir von einer Werksangestellten eine Einführung in die Geschichte und Funktion des Kraftwerks, die aber mehr und mehr zu einer Offensive gegen erneuerbare Energie und generell gegen naturschonende alternative Energiegewinnung wird.

Wir sind dann recht froh, weiterziehen zu können. Ziel ist die Kirche St. Martin in Hornow.
Luce Floreo – erblühe bei Licht, so kann man die Bezeichnung einer sehr speziellen und sehr seltenen Technik der Glasmalerei übersetzen. Beruhend auf den drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau werden Glasschichten übereinander gelegt, geätzt oder geschliffen. Je nach Dicke der Farbschicht entsteht ein gewünschtes Farbbild von enormer Leuchtkraft und Tiefe. Vor Ort erhalten wir eine exzellente Führung, die nicht nur Technik und Bildinhalt der Glasmalereien erklärt, sondern uns darüber hinaus weitere beachtliche  Kunstwerke der Kirche und spannende Details der sorbischen Geschichte nahe bringt.

Nur ein paar Kilometer weiter erreichen wir Bohsdorf. Hier befindet sich der Laden der Familie Strittmatter, dem Erwin Strittmatter in seiner Trilogie ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Ein kleines, unscheinbares Haus an der Dorfstraße 37 beherbergt den berühmten Laden. Das Haus wurde 1895 erbaut und kam 1919 in den Besitz der Familie Strittmatter. Heute ist das Haus ein kleines Museum, das der Familie Strittmatter und dem Werk Erwin Strittmatters gewidmet ist.

Zum Abschluss des Tages fahren wir zum Rosengarten Forst. Direkt an der Neiße gelegen, sind hier auf einer Fläche von 17 Hektar rund 800 Rosensorten auf ca. 40.000 Rosenstöcken zu bewundern. Der Park wurde 1913 eröffnet und stellt bis heute eine Garten- und Parkanlage dar, in welcher sich Landschaftsarchitektur, Gartenkunst und botanische Vielfalt elegant miteinander verbinden. Nun ist Zeit durch die Anlage zu spazieren, in eines der einladenden Cafés einzukehren, einen kurzen Abstecher auf die polnische Seite zu machen, die über eine Brücke zu erreichen ist,  die zahlreichen Skulpturen  zu bewundern bis wir uns alle zum Abendessen im Restaurant Rosenflair einfinden.


Tag 4

Cottbus hat einiges zu bieten und das wollten wir uns heute anschauen. Neben der schon erwähnten barocken Altstadt ist das Jugendstiltheater unbedingt einen Besuch wert. Es entstand 1908 auf Grund einer Bürgerinitiative und ist wohl eines der schönsten Jugendstiltheater Europas. Der Architekt Bernhard Sehring hatte den Bau entworfen, es ist wohl seine reifste, architektonische Leistung. Geschickt verwob er Architektur, Kunsthandwerk, Malerei und Plastik zu einem Gesamtkunstwerk. 1945, direkt nach dem 2. Weltkrieg, verhinderten Cottbuser Bürger die Sprengung des Gebäudes, das während des Krieges auch als Munitionslager gedient hatte. Eine aufwändige, sechsjährige Rekonstruktion in den 1980er-Jahren beseitigte die im Laufe der Zeit entstandenen Schäden. Technische Neuerungen wurden architektonisch einfühlsam eingebaut. Im Oktober 1986 wurde das Haus feierlich wiedereröffnet.

In zwei Gruppen wurden wir durch dieses wunderschöne Theater geführt und erfuhren sehr viel Wissenswertes über die Entstehung und Geschichte des Hauses.

Im Anschluss konnten die Reiseteilnehmer Cottbus in eigener Regie erkunden. Dabei führte der Weg den ein oder anderen auch zum alten Dieselkraftwerk DKW. Das 1928 entstandene Industriegebäude wurde 2008 in ein Museum für Moderne Kunst umfunktioniert. Nun umfasst die Sammlung 23.000 Exponate: Malerei, Skulpturen, Objektkunst sowie Plakate und Fotografien.

In unmittelbarer Nachbarschaft des DKW befindet sich ein romantisches Viertel  mit alten Gerberhäusern, die zu den ältesten Häusern von Cottbus zählen.

Mit mehreren Großraumtaxen fuhren wir am Nachmittag zu einer weiteren Sehenswürdigkeit von Cottbus, dem Fürst-Pückler-Park Branitz.  Der Park ist ein von Fürst Hermann von Pückler-Muskau gestalteter Landschaftspark und die bedeutendste der Cottbuser Parkanlagen. Im Zentrum des Landschaftsgartens befindet sich Schloss Branitz, der Alterssitz Fürst Pücklers. Das Wahrzeichen des Parks sind die beiden Erdpyramiden: die Landpyramide sowie die Seepyramide, auch Tumulus genannt, welche Fürst Pückler als seine letzte Ruhestätte inszenierte. Die Gestaltung des Branitzer Parks begann 1845, als Hermann von Pückler-Muskau seinen damaligen Wohnsitz Schloss Muskau und den dortigen Park aufgrund finanzieller Probleme verkaufte und nach Branitz zog. Im Alter von 60 Jahren begann er, diesen Landschaftspark nach englischem Vorbild anzulegen.

Durch seine Parkschöpfungen, insbesondere in Muskau und Branitz, zählt Hermann Fürst von Pückler-Muskau zu den bedeutendsten deutschen Gartenkünstlern des 19. Jahrhunderts.


Tag 5

Unser erstes Ziel war heute die Wendisch-Deutsche Doppelkirche in Vetschau. Die evangelische Kirche verfügt über zwei aneinander gebaute Kirchenschiffe, die Verbindung beider Kirchen sind der gemeinsame Turm sowie die vorgesetzte Sakristei. Wand an Wand stehen die schlichte wendische Dorfkirche und die reicher ausgestattete spätbarocke Stadtkirche. Heute dient die Kirche als kulturelle Veranstaltungsstätte mit musealem Charakter.

 

 

 

Nach einer sehr schönen Führung, die uns Geschichte und Kunstschätze der Kirche näherbrachte, führte der Weg nun zur Slawenburg Raddusch. Die Burg ist zwar kein Originalbauwerk, wurde aber weitgehend originalgetreu errichtet. Form, Aufbau und Maße des Walles, des Grabens und der Tore sind durch die Ausgrabungen belegt.

Ursprünglich gab es etwa 40 ringförmige Wallanlagen in der Lausitz. Sie wurden im 9. und 10. Jahrhundert durch den slawischen Stamm der Lusitzi errichtet und dienten der Bevölkerung als Fluchtburgen.

Im Wallinnern befindet sich heute ein Museum, das in einer ständigen Ausstellung die Archäologie der Niederlausitz und die Geschichte der Burg zeigt. Im gemütlichen Burgrestaurant wurden wir sehr freundlich und lecker bewirtet.

Nächstes Ziel unserer Reise war die Stadt Luckau. Unsere kompetente Stadtführerin zeigte uns auf sehr unterhaltsame Weise die historische Nikolai-Kirche, die zu den fünf wichtigsten Kirchenbauten des Mittelalters in Berlin und Brandenburg zählt. Besonders hervorzuheben ist die hochbarocke Orgel des Leipziger Orgelbauers Christoph Donat.  Am Markt führte der Spaziergang an Häusern mit reich geschmückten Renaissance-Giebeln vorbei. Markant erhebt sich mitten in der Stadt der 47 m hohe Hausmannsturm aus dem 17. Jahrhundert. Von hier aus  überwachte man die Stadt wegen häufig auftretender Feuersbrünste und hatten bei Gefahr Alarm zu blasen. Auch der Stundenruf der Zeit erfolgte lange von hier. Entlang des Stadtgrabens gelangten wir zur ehemaligen Klosterkirche, die lange Zeit auch als Gefängnis diente. Nun beherbergt sie das  Niederlausitz-Museum Luckau, die Stiftungsbibliothek und die Tourismusinformation Luckau.

Über Land, durch hübsche Dörfer und Städtchen, vorbei an Gebieten des ehemaligen Braunkohleabbaus und vorbei an Renaturierungsflächen gelangten wir zurück nach Cottbus.


Tag 6

Der vorletzte Tag unserer Reise in die Niederlausitz sollte uns nochmal zu zwei besonderen Höhepunkten der Industriekultur führen. Erstes Ziel an diesem Tag waren die Biotürme von Lauchhammer, auch „Castel del Monte der Lausitz“ genannt.

Die von weitem erkennbare Landmarke besteht aus 24 Türmen, die 22 m hoch sind. Es sind die letzten Relikte der Koksproduktion, die einst Lauchhammer prägte. Sie wurden 1956 auf dem Gelände der einstigen Braunkohle-Kokerei errichtet. Hier wurden phenolhaltige Abwässer durch Verrieseln über Hochofenschlacke biologisch behandelt. Sie standen am Ende der technologischen Kette der Kokserzeugung. 1996 wurden die Türme unter Denkmalschutz gestellt und von 2002 – 2008 saniert. Heute können Besucher auf einen der Türme steigen und über zwei verglaste Aussichtskanzeln weit über das ehemalige Industrieareal schauen.

Zu einem Giganten führte der Weg am Nachmittag, zur größten beweglichen Maschine der Welt –  der Abraumförderbrücke F60A.

11.000 Tonnen schwer, 80 Meter hoch, 200 Meter breit und einen halben Kilometer lang ist diese gigantische Maschine, die den Abraum, der über dem Kohleflöz lagerte, abtransportierte. Im Lausitzer Braunkohlerevier sind heute noch vier F60 in Betrieb. Die fünfte und zuletzt gebaute Förderbrücke ist für Besucher begehbar. Eine Führung ließ uns diesen Giganten bis zu seinem höchsten Punkt erleben. Und manch einer vergaß dabei, dass er eigentlich an Höhenangst litt.


Tag 7                                                                    

Heute hieß es Abschied nehmen. Ein langer Weg lag vor uns und so machten wir uns um 9 Uhr auf die Rückreise. Auch diesmal hatten wir Glück, hatten stets freie Fahrt und kamen nach einigen Zwischenstopps gegen 17 Uhr wohlbehalten wieder in Wörrstadt an.