Passo Avanti Konzert am 14.09.2017 in Wörrstadt

(AZ Alzey)

Von Ulla Grall

Mit dem Eröffnungskonzert zur 19. Bachwoche ist dem Wörrstädter Kulturkreis ein großer Wurf gelungen. Kantorin Bettina Maier begrüßt die Zuhörer in der Evangelischen Laurentiuskirche und Kulturkreis-Vorsitzende Birgit Gladrow betont: „Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr die Auftaktveranstaltung haben.“ Dann beginnt ein Konzert, wie es ungewöhnlicher kaum sein kann. „Reformation:reloadet“ ist der Titel, nimmt Bezug auf Luther, dessen musikalische Zeitgenossen und „reformatorische Komponisten“ der darauffolgenden Zeit. Befremdliche Klänge zum Einstand münden in Händels „Auftritt der Königin von Saba“. Auch die Besetzung ist außergewöhnlich. Julia Basslers Violine und Eugen Bazijans Cello mögen als Teile eines Streichquartetts durchgehen, aber damit hört Gewohntes schon auf, denn Vladimir Grizelj spielt Akustik- und Elektrogitarre und Alexander von Hagke kommt mit einem ganzen Sortiment an Klarinetten und Flöten.

„Passo Avanti“ nennt sich das Ensemble, „Schritt nach vorn“, und sie spielen die Klassiker auf der Basis der Originalkomposition mit vielen, variantenreichen Schritten mitten in die moderne Musik. Das beginnt sanft mit Stücken von Josquin Desprez „Mille regretz“ und „Adieu mes amours“ und steigert sich im Laufe des Konzerts, wenn Bachs „Orchestersuite Nr. 2“ oder seine „Musette“ mit E-Gitarren- und Cello-Soli heftig gegen den Strich gebürstet werden, ohne dabei ihre Herkunft zu verleugnen. Im Publikum wippen Füße mit, der Applaus ist lang und heftig.

Den Stil von Passo Avanti „verjazzte Klassik“ zu nennen wäre zu kurz gegriffen. Es ist ein Weiterdenken, und die Umsetzung gelingt scheinbar mühelos auf der Grundlage des großen Könnens der vier Musiker, die von der klassischen Musik herkommen, in unterschiedlichen Ensembles spielen und auch selbst komponieren. Hagke ist der Kopf des Quartetts: „Die Originalpartituren studiere ich relativ ausführlich und überlege dann, was ich daraus machen könnte, um dem Charakter des Stücks gerecht zu werden und trotzdem die eigenen Ideen einzubringen“, erklärt er im Interview. „Eine kreative Auseinandersetzung“, nennt er es, und die wird von seinen drei Mitstreitern kongenial aufgegriffen und umgesetzt. „Vieles was wir machen ist Improvisation auf der Basis des Notierten.“

Zu Johann Pachelbels populärem Canon sind die Zuhörer gefordert. Hagke übt kurz mit dem „neuen Chor“, das klappt gut und es gibt eine begeisternde Wörrstädter „Uraufführung“, bei der Bazijan sein Cello streicht und zupft, und lauthals singt. Schon seine Mimik zu beobachten ist mitreißend, wie überhaupt das Konzert nicht nur dem Ohr, sondern auch dem Auge viel zu bieten hat. Das wortlose Einverständnis der Musiker, ein Blick hin und her, ein kleines Lächeln, und manchmal müssen sie nach einem Stück selbst lachen. Die Freude am Zusammenspiel überträgt sich dem Zuhörer ganz unmittelbar. Bei Ravells „Pavane“ für Geige, Cello, E-Gitarre und Bassklarinette ebenso wie bei der schräg-perfekten Version von Mozarts Ouvertüre von „Figaros Hochzeit“ oder dessen „Türkischem Marsch“. Das hätte Mozart begeistert. „Ich habe sie gehört und fand sie toll“, sagt Margot Roolfs, deren Idee es war, Passo Avanti nach Wörrstadt zu holen. „Aber ich konnte ja nicht wissen, wie sie hier ankommen.“ Nun, diese Bedenken waren überflüssig.