Samstag den 27.02.2016,
20:00 - 22:30 Uhr
(Einlass in der Regel 30 Minuten vor Veranstaltungsbeginn)xxx
Eintritt
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Karten verfügbar
(* Preis für Kulturkreismitglieder) (** Preis für Kinder/Jugendliche/Studierende)
Veranstaltungsort
Neubornhalle
Text: Ulla Grall
Bilder: Eberhard Gladrow und Rolf Tiemann
Schon im Kostüm treten Ben Hergl und Christoff Raphael Mortagne vors Publikum: “Ein paar Vorbemerkungen, bevor es richtig los geht.” In der kurzen Einführung, ursprünglich für Schulkassen gedacht, erläutern die beiden Schauspieler ihre Rollen.
Das Chawwerusch Theater spielt “Kohlhaas” nach der Novelle von Heinrich von Kleist – die Vorbereitung ist sicher auch den Erwachsenen nützlich, die zur Theateraufführung in die Neubornhalle gekommen sind. Die politischen Verhältnisse im 16. Jahrhundert, den Ländern Sachsen und Brandenburg und deren Kurfürsten, sind selbst denen, die Kleist in der Schule gelesen haben, nicht unbedingt geläufig. Ben Hergl gibt den Michael Kohlhaas, Mortagne übernimmt alle übrigen Rollen. Die zahlreichen Personen, mit denen Kohlhaas zusammentrifft, zuvor anzureißen, ist hilfreich, zumal es ja ein einziger Schauspieler ist, der sich im schnellen Wechsel und mit minimalstem Kostümaufwand in den Zöllner, den Junker Wenzel von Tronka, seine Frau Lisbeth, seinen Knecht Herse und sogar in Martin Luther verwandelt. Eine großartige Leistung des 32jährigen deutsch-französischen Schauspielers Mortagne,
der für diese “Vielfachrolle” gecastet wurde und erstmals mit dem Chawwerusch-Theater auftritt. “Schon beim Lesen des Textes findet man den Ton, der für die jeweilige Rolle adäquat ist”, meint er im Interview.
“An die Sprache muss man sich gewöhnen”, sagt Hergl. Dies gilt für Schauspieler und Zuhörer gleichermaßen. Es ist eine starke Sprache mit vielfältigen Ausdrücken, die Hergl im Gespräch nach der Vorstellung als “wortschatzerweiternd” bezeichnet.
Die oft sehr langen Sätze, die große Aufmerksamkeit erheischen und den Schauspielern ein immenses Lernpensum abfordern, erlauben kaum Improvisation, doch die beiden Akteure lassen Kleist modern und spontan wirken. In der sparsamen Kulisse, einer aus Metallblechen zusammengesetzten Wand am Ende einer Rampe, gelingt es den beiden Darstellern das Publikum in die dichte Atmosphäre des Stücks hineinzuziehen. “Aus dem Erzählen kommen wir ins Spiel”, so Hergl. Regisseur Siegfried Bühr, der den Kleist für die Bühne des Chawwerusch-Theaters auch bearbeitet hat, überlässt seinen Schauspielern neben direkter Rede und Dialog auch das Erzählen über das verkörperte Ich. Im unmittelbaren Wechsel werden die Darsteller zum Handelnden und zum Erzähler.
“An den Ufern der Havel lebte in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein Rosshändler namens Michael Kohlhaas…”, langsam verdunkelt sich der Saal. In anderthalb Stunden entwickelt sich das Drama um den ehrbaren Geschäftsmann, den behördliche Willkür und Ungerechtigkeit in den Terror treiben und ihn schließlich aufs Schafott bringen. “Sein Rechtsgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder.” Dramatische Situationen werden mit Bühnennebel und farbigem Licht illustriert, um den Krieg und die Gewalt darzustellen, die Kohlhaas in seiner maßlosen Rache entfesselt, genügt es, wenn Hergl mit seinem Schwert an die Metallwand schlägt. Vom seitlich aufgestellten Mikrophon liest Mortagne die Kleist’schen Texte dazu wie ein Berichterstatter. Die Leistung der beiden Schauspieler begeistert das Publikum, Regiekonzept und Bearbeitung nicht minder. “Kleine Entlastungsminuten, die für Lacher sorgen”, so erklärt Hergl nach der Aufführung, “bringen wieder Aufmerksamkeit.”